Immer mehr Kunden von Online Casinos und Sportwetten Anbietern fordern vor Gericht ihre Spielverluste zurück - und dieses Vorgehen ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle auch erfolgreich, das bestätigt die positive Rechtsprechung am Bundesgerichtshof (BGH) und an den Oberlandesgerichten (OLG). Doch auf welcher juristischen Begründung beruhen die Rückforderungen? Und um welche Punkte wird vor Gericht gestritten? Inwieweit muss man zwischen Online Casino Spielen und Sportwetten unterscheiden? Darf man nach Kenntnis weiter spielen oder wetten? In diesem Artikel erfahren Sie hierzu mehr. Wenn Sie sich zum konkreten Ablauf des Vorgehens informieren möchten, finden Sie weitere Informationen bei Ablauf, Vergleiche & Dauer.
In Deutschland ist Glücksspiel durch den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) und andere Vorschriften streng reguliert. Um Glücksspiel anbieten zu dürfen, benötigen die Betreiber entsprechend eine gültige deutsche Lizenz. Lizenzen aus anderen Staaten wie Malta, Gibraltar oder Curaçao reichen nicht aus. Verfügt ein Casino nicht über eine Lizenz, ist es nach deutschem Recht illegal. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag war das Anbieten von Glücksspiel im Internet die meiste Zeit grundsätzlich verboten, der Erhalt einer Lizenz also gar nicht erst möglich.
In § 4 Abs. 4 GlüStV (alte Fassung) heißt es explizit: "Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten" (zum Glücksspielstaatsvertrag). Dieses unmissverständliche Internet-Verbot wurde von den Online Casinos über Jahre hinweg missachtet. Der Erhalt einer Lizenz war also gar nicht erst möglich.
Die Betreiber haben damit nicht nur gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstoßen, sondern möglicherweise auch gegen das Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 284 Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft, wer ohne behördliche Genehmigung Glücksspiel anbietet. Bislang (Stand: Mai 2024) sind aber noch keine strafrechtlichen Schritte gegen die handelnden Personen bekannt, wobei es in Österreich hierzu schon erste Ansätze gibt.
Die Casino Anwälte argumentieren vor Gericht, dass das deutsche Internet-Verbot gegen die Dienstleistungsfreiheit der EU (Art. 56 AEUV) verstößt. Dieser Auffassung ist allerdings schon vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Bundesgerichtshof (BGH) und Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bereits eine klare Absage erteilt worden. Demnach ist das Internet-Verbot mit dem Europarecht vereinbar, weil es verhältnismäßig und geeignet ist, die enorme Suchtgefahr, welche von Online Glücksspiel ausgeht, einzudämmen. Dieser Auffassung sind auch bislang alles Oberlandesgerichte gefolgt. Ausführlich hat sich hierzu auch das OLG Bamberg geäußert.
Die Entscheidung über die Europarechtskonformität der deutschen Gesetze mit dem Europarecht wird derzeit (Stand: Juni 2024) auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt (Az. C-440/23). Wann eine Entscheidung in diesem - allem Anschein nach von den Casinos fingierten - Verfahren zu erwarten ist, ist allerdings nicht absehbar. Teilweise können sich solche Verfahren über mehrere Jahre ziehen. Die Vorlage an den EuGH verfolgt offensichtlich den Zweck, die Rückforderungen auszubremsen. Teilweise ist dies auch erfolgreich, weil die Gerichte die Verfahren aussetzen, um eine Entscheidung des EuGH abzuwarten.
Ein sehr hilfloses Argument, mit welchem sich die Anbieter gegen die Klagen verteidigen ist, dass die Kunden nicht zum Zeitvertreib als Verbraucher gespielt haben, sondern gewerblich - also um ihren Lebensunterhalt mit dem Spielen zu verdienen. Dieses Argument zielt auf folgendes ab: nur Verbrauchern ist es erlaubt, in Deutschland an Ihrem Wohnort gegen jedes Unternehmen zu klagen. Würde es sich also um gewerbliches Spiel halten, wäre die Klage also gar nicht erst zulässig und man müsste sich an maltesische Gerichte wenden. Bislang hat aber kein Gericht an der Verbraucher-Eigenschaft der Kunden oder der Zuständigkeit deutscher Gerichte ernstzunehmende Zweifel gehabt. Dies wäre im Anbetracht der Tatsache, dass bei Glücksspiel eigentlich nur Verluste entstehen, auch abenteuerlich.
Der Glücksspielstaatsvertrag ist ein Vertrag zwischen den deutschen Bundesländern. Schleswig-Holstein hat in Sachen Glücksspiel einen Sonderweg gewählt und eine liberalere Politik verfolgt. Entsprechend galt der Glücksspielstaatsvertrag in Schleswig-Holstein nicht.
Am 01.07.2021 ist eine neue Fassung des Glücksspielstaatsvertrags in Kraft getreten, nach welcher sich Online Casinos auf dem gesamten Bundesgebiet um eine offizielle Lizenz bewerben können. Die Online Casinos sind nicht automatisch legal geworden, auch nach dem 01.07.2021 bedarf es einer Bewerbung und einer Erteilung der Lizenz. Zahlreiche Anbieter haben eine solche Lizenz mittlerweile erhalten, während viele Angebote weiter illegal sind. Eine Übersicht über die lizensierten Angebote finden Sie auch der Seite der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder GGL.
Während Online Casino und Online Poker Spiele ohne Ausnahme verboten waren, waren Sportwetten nach dem Glücksspielstaatsvertrag grundsätzlich erlaubt. Allerdings war das Angebot eines Buchmachers nur dann legal, wenn er auch über eine offizielle deutsche Lizenz verfügt hat. Das hat unter anderem der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Bis Oktober 2020 lag allerdings keinem einzigen Anbieter eine solche Lizenz vor und auch nach wie vor gibt es noch viele illegale Sportwetten Angebote. Auch hier können Sie die lizensierten Online Buchmacher und den Zeitpunkt der Lizenzierungen auf der Seite der GGL nachvollziehen.
Einige wenige Gerichte haben vor der BGH-Entscheidung im März 2024 in Sportwetten Klagen entschieden, dass ein Nichtvorliegen der Lizenz nicht zur Nichtigkeit des Vertrages und damit zu einem Rückforderungsanspruch führt. Die Argumentation war hier, dass die Online Buchmacher sich ja um eine Lizenz beworben hatten, diese wegen europarechtswidrigem Verhalten der Behörden aber nicht erteilt worden ist - die Anbieter die Lizenz also eigentlich hätten bekommen müssen. Entsprechend seien die Buchmacher so zu behandeln, als hätten sie eine Lizenz gehabt.
Dieser Auffassung war auch das OLG Frankfurt, dessen Entscheidung vom Januar 2023 Sportwetten Klagen einen Dämpfer verpasst hat. Diese Entscheidung ist aber längst überholt, seit der Bundesgerichtshof (BGH) und zahlreiche Oberlandesgerichte (u.a. in Dresden, Köln, München, Bamberg, Karlsruhe und Oldenburg) positiv und im Sinne der Kläger entschieden haben.
Die deutliche Mehrzahl der Oberlandesgerichte, welche in Sachen Sportwetten positiv entschieden haben, waren auch allesamt der Auffassung, dass von einer staatlichen Duldung keine Rede sein konnte. Hierzu hat sich beispielsweise das OLG Karlsruhe geäußert und entschieden, dass ein mögliches Vollzugsdefizit, also eine Nichttätigkeit, seitens der Behörden, ja eben nicht zu einer Unwirksamkeit des Internet-Verbots oder der Aufhebung der Notwendigkeit der Lizenz führe.
Casino und Kunde haben einen gemeinsamen Vertrag geschlossen, indem der Kunde bei der Registrierung die AGB angenommen hat. Dieser Vertrag bildet die gesamte Grundlage für die Spieltätigkeit und die Transaktionen im Casino oder beim Buchmacher. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Online Casino und Sportwetten Angebote illegal und nicht lizensiert waren folgt, dass der Vertrag zwischen Casino und Kunde nach § 134 BGB nichtig ist. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, unwirksam. Gleiches würde beispielsweise für einen Kaufvertrag über illegales Rauschgift gelten. Hier läge im Rechtsgeschäft ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Vertrag über die Spieltätigkeit verstößt dagegen gegen den Glücksspielstaatsvertrag. Damit gab es keinen rechtlichen Grund für die Einzahlungen der Kunden.
Gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist man einem anderen zur Herausgabe verpflichtet, wenn man etwas ohne Rechtsgrund, also ohne gültigen Vertrag erhalten hat. Das ist auch die Grundlage, nach welcher Kunden ihre Spielverluste zurückverlangen können. Diese Auffassung ist auch in den allermeisten Gerichtsurteilen bestätigt worden.
Übrigens hat auch bislang kein Gericht gefordert, dass die AGB gründlich gelesen werden - vielmehr ist den Gerichten bewusst, dass man die ABG für gewöhnlich wegklickt.
Für eine Rückforderung kommt es ganz entscheidend auf die Kenntnis über die Illegalität an. Also nur dann wenn man nicht wusste, dass das Angebot illegal war, kann man die Spielverluste zurückverlangen. Gleiches gilt für die Frage, ob man sich wegen Teilnahme an illegalem Glücksspiel strafbar gemacht hat: wenn man also nichts von der Illegalität wusste, muss man sich auch keinerlei Sorgen um mögliche strafrechtliche Konsequenzen machen.
In einer möglichen mündlichen Verhandlung steht die Frage nach der Kenntnis stark im Mittelpunkt. Die Anwälte der Casinos und Buchmacher behaupten, dass die Kunden von der Illegalität wussten oder zumindest hätten wissen müssen. Kunden berichten in diesem Zusammenhang oft, dass sie von der Illegalität überhaupt nichts wussten und dies auch nicht geahnt haben. Diesem Vortrag vertrauen die Gerichte in aller Regel. Schließlich vermutet man nicht, dass so selbstbewusst in der Öffentlichkeit auftretende Firmen etwas Verbotenes tun - Fußball schauen ohne Sportwetten Werbung ist inzwischen undenkbar geworden.
Juristisch wird gleich behandelt, wer etwas gewusst hat oder etwas hätte wissen müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich, wer vor den Folgen seines Tuns die Augen verschließt, wie ein bewusst Handelnder behandeln lassen. In der weit überwiegenden Mehrzahl der bisher ergangenen Entscheidungen ist aber entschieden worden, dass der Kläger nichts von der Illegalität hätten wissen können und auch nicht müssen. Die Gerichte waren hier der Auffassung, dass eine solche komplexe juristische Recherche von einem Verbraucher nicht verlangt werden könne und das öffentliche Auftreten der Online Casinos und Sportwetten Anbieter keinen Anlass für Skepsis gelassen hat. Ein Kunde hätte also auch nichts von der Illegalität wissen müssen.
In dieser Hinsicht sind die vor Gericht vorgetragenen Argumente der Anbieter auch (erneut) sehr widersprüchlich. Einerseits halten sie dem Kläger vor, dass er über eine einfache Google Recherche Kenntnis über die Illegalität hätte erlangen können, andererseits bemängeln sie, dass die Rechtslage in Deutschland "undurchsichtig" war und sie selbst nicht in der Lage waren zu erkennen, ob Glücksspiel nun legal oder illegal ist. Das ist bei einem Milliarden-Konzern, der sich gute und teure Rechtsabteilungen leisten kann, wenig glaubwürdig. Das hat auch das OLG Frankfurt erkannt, welches als erstes ein positives Urteil in den Rückforderungen gesprochen hat (es handelt sich dabei nicht um das spätere, negative Sportwetten-Verfahren). Entsprechend ist in diesem, wie auch in den allermeisten anderen Verfahren, vom Kläger keine ausgiebige Recherche verlangt worden.
Wenn Sie erfahren haben, dass der Anbieter, bei welchem Sie Kunde sind oder waren, illegal war - verfügt der Anbieter also zu dem Zeitpunkt, an welchem Sie von der Illegalität erfahren haben über eine gültige deutsche Lizenz - dann ist eine fortgesetzte Spieltätigkeit völlig unproblematisch. Liegt eine solche Lizenz nicht vor, ist es sehr ratsam jede weitere Spieltätigkeit einzustellen. Dies kann nicht nur dazu führen, dass eine Klage womöglich verloren geht, sondern auch, dass man eventuell mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss.
Vor Gericht gilt übrigens auch im Zivilverfahren die Wahrheitspflicht. Auch wenn man oft nur sehr schwer nachweisen kann, dass jemand während der Spieltätigkeit von der Illegalität Kenntnis hatte, haben Gerichte oft ein gutes Gespür für auswendig gelernte oder zurecht gelegte Aussagen.
Verjährung bedeutet, dass bestimmte Ansprüche oder Forderungen nach einer festgelegten Zeit nicht mehr rechtlich durchgesetzt werden können. Hier muss man unterscheiden zwischen der Verjährung in die Zukunft und in die Vergangenheit.
Verjährung in die Zukunft
Die Verjährung in die Zukunft ist in den Verfahren (noch) unkritisch. Nach § 195 BGB muss man ab dem Zeitpunkt, an welchem man von möglichen Ansprüchen gegen Online Casinos oder Buchmacher Kenntnis erlangt hat, innerhalb von drei Jahren gegen den Anbieter Klage einreichen. Wenn Sie also erfahren haben, dass Sie Ansprüche gegen ein Casino oder einen Wettanbieter haben, müssen Sie innerhalb von drei Jahren zum Jahresende gegen den Anbieter gerichtlich vorgehen. Haben Sie also 2022 von Ihrer Möglichkeit zur Rückforderung erfahren, können Sie bis Ende 2025 klagen. War dies im Jahr 2023 der Fall, dann bis 2026, usw. Die Anbieter tragen in diesem Zusammenhang oft vor, dass die dreijährige Verjährung schon ab dem Zeitpunkt der jeweils getätigten Transaktionen zu laufen beginnt. Allerdings hat diese Ansicht vor Gericht bislang keinerlei Zustimmung gefunden. In einem unserer Verfahren hat z.B. das OLG Nürnberg diese Auffassung explizit abgewiesen.
Hier sollte man sich allerdings nicht auf dem Zeitpunkt der eigenen Kenntnis ausruhen: irgendwann werden Gerichte einen Zeitpunkt festlegen, ab welchem jeder von der Illegalität hätte wissen müssen (sogenannte allgemeine Kenntnis). Fällt diese Entscheidung streng aus, könnte dafür sogar das Jahr 2021 zugrunde gelegt werden. Denn tatsächlich hat es 2021 schon erste Berichterstattung in der Presse und erste Urteile gegeben. In diesem Fall wären ab 2025 keine Rückforderungen mehr möglich. Zum Einhalten der Verjährung, genügt die Klageeinreichung innerhalb der Verjährungsfrist.
Verjährung in die Vergangenheit
Neben der Verjährung in die Zukunft, gibt es auch eine Verjährung in die Vergangenheit, welche vor Gericht teilweise kontroverser diskutiert wird. Diese betrifft die Frage, welche Verluste aus der Vergangenheit zurückgeholt werden können. Grundsätzlich gilt auch hier eine dreijährige Verjährungsfrist, wonach man ab dem Zeitpunkt der Kenntnis nur die Verluste der letzten drei Jahre zurückfordern könnte (§ 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB). Allerdings gilt nach § 852 BGB die 10-jährige Verjährung, wenn der Klagegegner - also das Casino oder der Buchmacher - durch eine unerlaubte Handlung etwas auf Kosten des Klägers erlangt hat.
Nach Auffassung der weit überwiegenden Mehrzahl der Gerichte und Rechtsexperten kann man Online Casino und Sportwetten Ansprüche 10 Jahre rückwirkend zurückfordern (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Unsere Kanzlei hat vor dem OLG Düsseldorf das erste Urteil erwirkt, in welchem diese 10-jährige Verjährungsfrist erstmals explizit bestätigt wurde. Im März 2024 folgte das OLG Stuttgart (Az. 5 U 154/23) in einem ebenfalls von unserer Kanzlei erwirkten Urteil. Die allermeisten Gerichten haben sich in ihren Entscheidungen allerdings nicht zur Verjährung geäußert, sondern die 10 Jahre stillschweigend durchgewunken.
Es hat aber auch Entscheidungen gegeben, welche eine dreijährige Verjährung in die Vergangenheit angenommen haben. Dazu zählt das OLG Oldenburg. Im Anbetracht der weit überwiegenden Rechtsprechung ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass sich diese Auffassung durchsetzt. Finale Klarheit könnte hierzu durch den BGH erfolgen.
Die Teilnahme an illegalem Glücksspiel ist nach § 285 StGB verboten und kann schlimmstenfalls mit einer halbjährigen Freiheitsstrafe bestraft werden. Wie oben schon geschildert kommt es für die eigene Strafbarkeit aber maßgeblich darauf an, ob man, während man gespielt oder gewettet hat, von der Illegalität Kenntnis hatte. Für eine strafrechtliche Relevanz ist der Vorsatz entscheidend, man hätte also von der Illegalität wissen und trotzdem spielen oder wetten müssen. Wenn Sie also wie Millionen andere gutgläubig waren, müssen Sie auch keine Konsequenzen befürchten. Unserer Kanzlei ist kein Fall bekannt, in welchem die Teilnahme an illegalem Glücksspiel für den Kunden strafrechtliche Folgen gehabt hätte.
ts