Am 4. September 2025 hat Generalanwalt Nicholas Emiliou seine Schlussanträge in der Rechtssache C-440/23 vorgelegt - also in jenem EuGH-Verfahren, in welchem es um die Rückforderung reiner Online Casino Verluste geht. Dabei geht es um die zentrale Frage, ob die Rückforderungen von Verlusten mit dem EU-Recht vereinbar sind. Die Casino-Betreiber behaupten, dass nicht der Fall ist
mit dem Hinweis auf das EU-Recht – insbesondere die Dienstleistungsfreiheit. Ihr Argument: Eine maltesische Lizenz müsse genügen, Rückforderungen seien ein „Missbrauch“ des Rechts. Genau diese Frage liegt nun dem EuGH vor: Sind Rückforderungen mit dem Unionsrecht vereinbar oder nicht?
Die Antwort von Generalanwalt Emiliou war eindeutig: Ja – Rückforderungen sind unionsrechtskonform und dürfen nicht pauschal als Missbrauch abgelehnt werden. Damit stärkt Emiliou die Linie der deutschen Gerichte, die seit Jahren von einer Rückzahlungspflicht der Anbieter ausgehen. Für Kläger war der Schlussantrag ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einem positiven EuGH-Urteil - welches in einigen Monaten erwartet wird.
Der Generalanwalt ist eine Besonderheit des europäischen Justizsystems: er ist eine dem Gerichtshof beigeordnete Institution, deren Pendant im deutschen Recht nicht existiert. Seine Aufgabe besteht darin, dem EuGH eine unabhängige rechtliche Einschätzung zu geben und eine Entscheidungsempfehlung in Form eines Schlussantrags zu formulieren. Der Schlussantrag hat kein rechtlich bindendes Gewicht, wird aber in der Praxis in der Mehrzahl der Fälle vom Gericht übernommen. Man kann also sagen, dass das Gericht höchstwahrscheinlich so entscheiden wird, wie es der Generalanwalt beantragt.
In seinem Schlussantrag in der Rechtssache C-440/23 stellt Generalanwalt Emiliou klar: Das frühere Totalverbot von Online-Casinospielen in Deutschland (bis Juli 2021) war rechtmäßig. Nach seiner Auffassung verstößt es nicht gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit. Die Bundesrepublik durfte also Online-Poker, Slots und Casinospiele vollständig untersagen. Und dieses Verbot lässt sich auch nicht mit dem EU-Recht aushebeln.
Noch bedeutender für Kläger war aber folgender Punkt: nach Auffassung von Generalanwalt Emiliou sind auch die Rückforderungsansprüche von Spielern nach Europarecht zulässig. Dieses verbietet Rückforderungen nicht - und auch eine maltesische Lizenz steht dem nicht entgegen. Den Vorwurf der Casinos, dass die Rückforderungen rechtsmissbräuchlich sind, weist Generalanwalt Emiliou zurück.
Die Hintergründe der Rechtssache C-440/23 sind ein wenig dubios. Es steht der Vorwurf im Raum, dass dieses Verfahren von den Casinos fingiert sein könnte, um die Klagen auszubremsen und Zeit zu gewonnen. Generalanwalt Emiliou schreibt selbst, dass dieser "Verdacht" im Raum steht, geht allerdings nicht näher auf diesen ein. Für das Vorabentscheidungsverfahren komme es nicht auf die Echtheit oder Motive des Verfahrens an, sondern allein auf die Relevanz der Fragen, so der Generalanwalt. Und offensichtlich halten Generalanwalt und EuGH diese Fragen für relevant genug, um über sie zu entscheiden - fingiert oder nicht.
Der Schlussantrag in der Rechtssache C-440/23 ein weiteres, sehr gutes Signal aus Luxemburg. Für Generalanwalt Emiliou war die deutsche Verbot rechtmäßig, die Rückforderungen zulässig und das Missbrauchsargument hinfällig. Die Hoffnungen auf eine klägerfreundliche Rechtsprechung des EuGH sind damit deutlich gestiegen. Wann genau das Urteil ergeht, lässt sich derzeit nicht sagen. Für gewöhnlich vergehen zwischen Schlussantrag und Urteil 3-6 Monate. Erst nach einem Urteil können die Verfahren in Deutschland fortgeführt werden. Ob, wann und wie Anbieter den Klägern Vergleichsangebote machen, bleibt auch abzuwarten. Für die Casinos wären Vergleiche wohl die einzige Lösung, um die Gespenster der Vergangenheit legal und halbwegs glimpflich zu vertreiben.
ts