Glücksspiel Klagen am EuGH - ein abgekartetes Spiel und seine Folgen

Veröffentlicht am 
19.7.2024
Online-Casinos

Glücksspiel-Rückforderungen und der EuGH: Hintergründe zur Bill 55, der Rechtssache C-440/23 und zu Sportwetten

Die Glücksspiel-Klagen haben mittlerweile auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) erreicht. Konkret muss der EuGH über die Europarechtskonformität der maltesischen Bill 55 entscheiden. In der dubiosen Rechtssache C-440/23 muss der EuGH dagegen klären, ob das deutsche Total-Verbot von Online Casinos (nicht von Online Sportwetten) mit dem EU-Recht im Einklang war. Wie im Juli 2024 bekannt geworden ist, wird eine Entscheidung in dieser Sache aus Malta blockiert. Und auch bei Sportwetten und insbesondere im BGH-Verfahren I ZR 90/23 pochen Tipico und Co. darauf, dass es hier entscheidend auf die Rechtsauffassung der EU-Richter aus Luxemburg ankommt. Der EuGH scheint also eine wichtige Rolle zu spielen.

In diesem Artikel gehen wir ausführlich auf diese Punkte ein, wollen aber eine Sache vorwegnehmen: das Heraufbeschwören des EuGH durch die Casino-Anwälte dient eigentlich keinem anderen Zweck als Zweifel zu streuen und Zeit zu gewinnen. Entsprechend sollte man nicht abwarten, wenn man Ansprüche gegen Online Casinos und Wettanbieter hat. Sonst könnte eine Rückforderung in ein paar Monaten gar nicht mehr möglich sein. Die Zuversicht, dass die Rückforderungen weiter erfolgreich sind und sein werden, zeigt sich auch darin, dass in vielen Fällen trotz der verschiedenen Vorgänge am EuGH Prozessfinanzierungen weiter möglich sind. Der Optimismus ist also weiter ungebrochen - auch wenn es letztlich doch länger dauern könnte.

  1. Die Bill No. 55
  2. Rechtssache C-440/23
  3. EuGH bei Sportwetten?
  4. Fazit
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Die Bill No. 55

Innerhalb kürzester Zeit hat im Jahr 2023 das maltesische Parlament ein Gesetz verabschiedet, die sogenannte Bill No. 55, welches Vollstreckungen gegen Glücksspielanbieter auf Malta unmöglich machen soll. Demnach soll es also nicht mehr möglich sein, sich mit einem rechtskräftigen Urteil aus Deutschland das Geld im Zweifel in Malta zu holen. Nach Auffassung eigentlich aller Rechtsexperten und auch der Parlamente in Deutschland und Österreich ist dieses Gesetz ein Frontalangriff auf die europäische Rechtsordnung: denn die europäischen Verträge sehen eindeutig vor, dass sich Unternehmen nicht einfach in einem Mitgliedsstaat verstecken können, wenn sie in einem anderen verurteilt wurden. Nur so ist das Funktionieren des einheitlichen Wirtschaftsraums gewährleistet. Letztlich kommt es aber nicht auf die Meinung von Rechtsexperten und Parlamenten an, weil es der EuGH ist, welcher über die Europarechtskonformität von Gesetzen entscheidet. Dass der EuGH die Bill 55 als rechtswidrig einstufen wird, dürfte kaum bezweifelt werden. Die Frage ist nur, wann dies geschieht und welche Folgen das dann haben wird.

Entscheidung kann Jahre dauern - und wirkungslos sein

Verfahren vor dem EuGH können im besten Fall viele Monate, im schlechtesten Fall viele Jahre dauern. Niemand kann die Dauer von EuGH-Verfahren auch nur halbwegs seriös vorhersagen. Ebenso wenig lässt sich sagen, welche Folgen der Stempel der Illegalität haben wird: wird Malta die Bill 55 einfach zurücknehmen, wenn der EuGH dazu auffordert? In Sachen Rechtstreue hat sich der Mikro-Staat am südlichen Ende Europas nicht unbedingt einen Namen gemacht. Stattdessen blühen in dem Glücksspiel-Paradies Korruption und zweifelhafte Machenschaften. Es ist also längst nicht ausgemacht, dass Malta die Bill 55 auch wirklich kassiert, wenn der EuGH deren Illegalität beschließt.

Wirkung der Bill 55 überschaubar

Die Wirkung der Bill 55 ist allerdings überschaubar. Anbieter, welche vor der Bill 55 auf rechtskräftige Urteile gezahlt haben, taten dies auch nach Verabschiedung des Gesetzes. Das Gleiche gilt für die schwarzen Schafe: Casinos und Wettanbieter, welche nach Erlass der Bill 55 nicht gezahlt und Katz und Maus gespielt haben, taten dies auch davor nicht. Das ist wohl deshalb möglich, weil so mancher Anbieter selbst nach maltesischen Gesetzen juristisch schwer zu fassen ist. Jedenfalls dürfte die Bill 55 ihre Wirkung vollkommen verfehlt haben.

Vollstreckung immer häufiger möglich

Außer den PR-Effekten, welche die Bill 55 auf Unentschlossene hat, dürften die Effekte des Gesetzes also sehr überschaubar sein. Vor allem auch deshalb, weil es in vielen Fällen - und darunter zählen Tipico, Bwin, Bet365, Interwetten und Pokerstars - möglich ist, in Deutschland und in anderen Staaten Europas zu vollstrecken. Es ist also in vielen Fällen überhaupt nicht erforderlich sich das Geld auf Malta, bzw. in Gibraltar (z.B. Bwin) zu holen. Wer seine Rückforderung mit Prozessfinanzierer startet, kann im Falle einer Zahlungsverweigerung in der Regel auch darauf zählen, dass er einen sehr finanzstarken Partner zur Hand, welcher das gleiche Interesse hat wie der Kläger: nämlich, dass am Ende Geld fließt. Auch wenn es letztlich doch viel länger dauert. Wer bis zur EuGH-Klärung der Bill 55 abwartet läuft dagegen Gefahr, dass sich so mancher Anbieter bis dahin durch halb-legale oder illegale Tricks aus der Affäre gezogen hat - und Rückforderungen dann überhaupt nicht mehr möglich sind.

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Rechtssache C-440/23

In der Rechtssache C-440/23 muss der EuGH entscheiden, ob das deutsche Total-Verbot von Online Casinos (nicht von Sportwetten) europarechtskonform war. Dabei haben das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und auch der EuGH selbst in vergangenen Fällen schon entschieden, dass nationale Einschränkungen des Glücksspielrechts mit der Rechtsordnung der EU im Einklang stehen. Entsprechend dürfte es an einem für Kläger positiven Ausgang wenig Zweifel geben. Trotzdem ist das Verfahren C-440/23 nun erstmal anhängig und steht zur Entscheidung.

Dies führt in jenen Fällen, in welchen es auch um die Rückholung von Casino-Verlusten geht (also in Fällen, in welchen entweder nur oder neben Sportwetten auch Casino-Verluste eingeklagt werden) dazu, dass manche Gerichte - darunter der BGH - entschieden haben die anhängigen Verfahren auszusetzen, um auf eine Entscheidung des EuGH zu warten. Sportwetten Klagen sind davon nicht betroffen.

Hintergründe

Die Online Casino Betreiber tragen vor Gericht regelmäßig vor, dass die deutschen Glücksspielgesetze, allem voran das Internet-Verbot im Glücksspielstaatsvertrag, gegen Europarecht verstößt. Dabei stützen sie sich auf die Dienstleistungsfreiheit, welche in Art. 56 AEUV festgeschrieben ist. Die Dienstleistungsfreiheit ist eine der Grundpfeiler der Europäischen Union und ermöglicht es Unternehmen ihre Dienstleistungen im gesamten Unionsgebiet anzubieten. Dies ist den Online Casino Betreibern durch den Glücksspielstaatsvertrag (alte Fassung) in Deutschland aber untersagt gewesen.

Und das aus gutem Grund: wie schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden haben, waren die strengen deutschen Regeln durchaus europarechtskonform. Schließlich waren sie verhältnismäßig und geeignet, Kunden vor den enormen Suchtgefahren des Online Glücksspiels zu schützen. Bislang war auch kein mit den Rückforderungen befasstes Gericht der Auffassung, dass in der deutschen Gesetzgebung ein Verstoß gegen Europarecht vorliegt. Mehr hierzu finden Sie auch im Artikel zu den juristischen Hintergründen.

Alle Gerichte in der Europäischen Union können den EuGH anrufen, wenn es um die Auslegung von Gesetzen geht, welche das Europarecht betreffen. Dies hat nun ein maltesisches Gericht getan und dem EuGH ein Verfahren, in welchem es um eine Casino Rückforderung geht, zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es liegt also nun am EuGH zu entscheiden, ob der Glücksspielstaatsvertrag mit Europarecht vereinbar war.

Umstände dubios

Die Umstände der Vorlage und des maltesischen Verfahrens sind dabei alles andere als durchsichtig und deuten auf ein abgekartetes Spiel hin. Bekannt ist, dass der deutsche Rechtsanwalt Volker Ramge vor einem maltesischen Gericht eine Klage auf Rückzahlung gegen Lottoland eingereicht hat. Diesen Anspruch gegen Lottoland hat er sich vorher abtreten lassen - Volker Ramge war also nicht derjenige, welcher die Verluste erlitten hat, sondern klagt diese "nur" ein. Dieses Verfahren wurde von dem maltesischen Gericht dann am 14. Juli 2023 beim EuGH eingereicht.  

Dass nun ein maltesisches Gericht - also die Justiz eines Staates, in welchem die Korruption blüht und welcher sich zu einem Hotspot für die Glücksspielindustrie entwickelt hat - die Konformität des deutschen Rechts mit Europarecht erfragt, spricht Bände. Vor diesem Hintergrund bestehen eigentlich wenig Zweifel, dass dieses Verfahren von den Casino Betreibern bewusst so inszeniert wurde, um den Rückforderungen einen Dämpfer zu verpassen. Offensichtlich hat man auch auf Malta die Wirkungslosigkeit der Bill 55 eingesehen - und muss nun zu anderen (halb-legalen) Mitteln greifen.

Wie und wann wird der EuGH entscheiden?

Wann und wie der EuGH entscheiden wird, lässt sich nicht seriös vorhersagen. Im Jahr 2024 ist aber eher nicht mehr mit einer Entscheidung zu rechnen.

Schon in vergangenen Fällen ist der EuGH mit der Frage befasst gewesen, ob eine nationale Einschränkung von Glücksspiel Betreibern europarechtskonform ist - und hat dies bejaht (z.B. in den Rechtssachen C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07). Konkret war der EuGH der Auffassung, dass ein Mitgliedsstaat nicht-diskriminierende und verhältnismäßige Einschränkungen zum Schutz der Verbraucher ergreifen darf. Und die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages, welches ein Total-Verbot von Online Casinos vorgesehen hat, erfüllen diese Voraussetzungen - schließlich galt das Verbot ausnahmslos für alle Anbieter und zielte darauf ab, Verbraucher vor den erwiesenen großen Suchtgefahren von Online Casinos zu schützen. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen darf auch im vorliegenden Fall C-440/23 eine positive Entscheidung im Sinne der Verbraucher erwartet werden.

BGH setzt Verfahren aus - folgen andere Gerichte?

Im Anbetracht des EuGH Verfahrens hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, eine Online Casino Klage mit dem Aktenzeichen I ZR 53/23 auszusetzen und abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird. Ob Gerichte untergeordneter Instanzen dem nun folgen oder nicht, obliegt ganz allein den jeweiligen Gerichten - sie sind in der Entscheidung völlig frei. In der Mehrzahl der Verfahren unserer Kanzlei haben sich die Gerichte bislang gegen ein Abwarten entschieden. Nur etwa 15% entscheiden sich zu einer Vorlage. Schließlich hat bislang noch kein deutsches Gericht ernsthafte Zweifel an der Europarechtskonformität des Glücksspielstaatsvertrages gehabt. Gleichzeitig ist vielen Gerichten bewusst, dass durch eine Aussetzung die Klagen nicht einfach verschwinden, sondern sich vielmehr zu einem noch viel größeren Berg türmen werden. Schließlich werden weiter täglich hunderte Klagen eingereicht.

Allerdings entscheiden sich auch einige Gerichte für eine Aussetzung. In diesem Fall wird eine Entscheidung erst dann getroffen werden, wenn der EuGH entschieden hat. Und das kann gut und gerne bis in das Jahr 2025 dauern. In solchen Fällen ist dann einfach Geduld gefragt.

EuGH setzt Verfahren aus

Wie im Juli 2024 bekannt geworden ist, hat nun auch der EuGH selbst das Verfahren in der Rechtssache C-440/23 ausgesetzt. Der Hintergrund dieser Aussetzung ist wohl, dass das vorlegende maltesische Gericht nicht so kooperiert hat wie es eigentlich müsste - und das Verfahren nun dadurch blockiert. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: Juli 2024) sind keine weiteren Details bekannt. Es dürfte aber außer Frage stehen, dass Malta die Sache so lange verzögern wird, wie es nur geht. Eine finale Entscheidung wird also auf sich warten lassen.

EuGH Vorlage bei Sportwetten?

Online Casinos und Online Sportwetten waren gesetzlich unterschiedlich reguliert: während Online Casinos komplett verboten waren, waren Sportwetten grundsätzlich erlaubt - aber nur, wenn der Anbieter eine gültige besaß (allerdings verfügte bis Oktober 2020 kein Anbieter über diese Lizenz). Entsprechend werden die beiden Komplexe Online Casino und Sportwetten von den Gerichten auch unterschiedlich entschieden und daher sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH auch unterschiedlich.

Aus den Äußerungen des BGH in Sachen I ZR 90/23 und I ZR 88/23 wird sehr deutlich, dass das oberste deutsche Zivilgericht in Sachen Sportwetten eine Vorlage an den EuGH für nicht erforderlich hält. Finale Klärung wird die Entscheidung des BGH bringen, welche für den 25. Juli 2024 erwartet wird. Kommt es wie erwartet nicht zur EuGH-Vorlage, dann wird der EuGH in Sachen Sportwetten Rückforderungen wohl keinerlei Rolle spielen. Es ist nämlich nicht möglich, dass Tipico die Entscheidung des BGH vom EuGH überprüfen lässt. Der EuGH kann die Entscheidung des BGH also nicht kassieren.

Fazit

Wenn man mögliche Ansprüche gegen Online Casinos oder Online Buchmacher hat, sollte man sich von den Vorgängen am EuGH keinesfalls beeindrucken lassen und so schnell wie möglich eine Klage in die Wege leiten. Schließlich drohen bei einem Abwarten gleich zwei sehr ungute Szenarien: erstens könnten die Betreiber die "Ruhepause" nutzen, um ihre Gesellschaftsstrukturen so umzustellen, dass ein Vorgehen gegen sie bald gar nicht mehr möglich ist. Konkret geht es hier um das Risiko der Liquidation. Die Betreiber könnten also die alten Firmen, welche für das Casino Angebot verantwortlich waren und teilweise noch sind, auflösen. Und dann könnte es, wenn der EuGH dann positiv entschieden hat, niemanden mehr geben, den man auf Rückzahlung verklagen könnte.

Zweitens verjähren mit jedem Tag, an welchem abgewartet wird, weitere Ansprüche. Die Einreichung der Klage ist dabei verjährungshemmend - und da ist es völlig gleichgültig, wie lang sich das Verfahren letztlich zieht. Mit Prozessfinanzierer kann man die Rückforderung vollkommen ohne Kosten und ohne Risiko angehen und hat auch in dem Fall, in welchem sich ein Anbieter weigern sollte zu bezahlen, auch sehr finanzstarke Unterstützung zur Hand, wenn es an die Vollstreckung geht. Selbst wenn es letztlich länger dauert kommt man seinem Ziel auf Rückerstattung nur dann näher, wenn man wirklich Klage einreicht.

ts

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